Neue Geriatrie-Fortbildung verbessert die Versorgung betagter Patienten

 
27. November 2019 – Ältere Menschen sind die größte Patientengruppe in der Apotheke. Experten schätzen: Über 60-Jährige nehmen im Schnitt drei verordnete Arzneimittel pro Tag, die Selbstmedikation kommt noch hinzu. Deshalb treten gerade bei hochbetagten Menschen unerwünschte Arzneimittelwirkungen sehr viel häufiger auf als bei jüngeren Patienten. Individuell zugeschnittene Therapien sind erforderlich.

Solchen medizinischen Herausforderungen gerade bei älteren Patienten widmen sich die „Qualitätsdialoge zur Ambulanten Geriatrischen Versorgung“ (QAG). Die QAG sind ein neuartiges Fortbildungsformat für Altersmedizin im Landkreis Darmstadt-Dieburg, initiiert und finanziert vom Landkreis Darmstadt-Dieburg im Rahmen des Versorgungskonzepts 2025. In den QAG bilden sich niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie Klinikärzte zu den Themen Altersmedizin und -medikation fort, vernetzen sich und pflegen den fachlichen Austausch.

Die ersten beiden Veranstaltungen dieses von der Landesärztekammer Hessen anerkannten Fortbildungsformats fanden am 27. August und 30. Oktober in Ober-Ramstadt am dortigen MVZ statt. Nach Einführung von Dr. med. Martin Schunck, Chefarzt der Klinik für Geriatrie in Groß-Umstadt, referierte Prof. Dr. Martin Wehling, renommierter Pharmakologe und Spezialist für Altersmedizin am Institut für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Fakultät Heidelberg / Mannheim.

Neue Geriaterin und Gesundheitslotsin in Ober-Ramstadt
Dr. Schunck betonte in seiner Einführung, wie wichtig es für den Landkreis und seine Bewohner sei, neue Angebote gerade für alte und hochbetagte Menschen zu schaffen. Die Zahl der Patienten mit typischen, altersbedingten Erkrankungen werde in den nächsten Jahren zunehmen, deshalb brauche es Strukturen, mit denen Patienten ebenso wie Hausärzte unterstützt würden. Hier sei der Landkreis bereits sehr aktiv: Zum geriatrischen Netzwerk zählt seit kurzen eine im Zentrum für Medizinische Versorgung (MVZ) in Ober-Ramstadt tätige Ärztin für Altersmedizin (Geriaterin), die auch ältere Patienten anderer Arztpraxen mitbehandelt. Eine Gesundheitslotsin identifiziert die Bedürfnisse alter und hochbetagter Patienten, besucht diese zu Hause und koordiniert die Versorgung, beispielsweise durch Vermittlung an den Pflegestützpunkt im Landkreis, wenn es einen vermuteten Pflegebedarf gibt.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Prof. Wehling verdeutlichte den Teilnehmern in seinem Vortrag zur Pharmakotherapie, wie sie sicher und effektiv bei älteren Menschen medizieren können. Laut Wehling sähen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften im Schnitt mehrere Wirkstoffe pro Krankheit vor. Da über 80-Jährige im Schnitt drei Diagnosen hätten, führe dies dazu, dass sie im Schnitt acht Arzneimittel verordnet bekämen (Polypharmazie). Bei der Vielzahl der verordneten Medikamente müsse es das Ziel sein, unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden und nötigenfalls die Zahl der Arzneimittel zu reduzieren. Ansonsten drohten den Patienten Stürze oder Verwirrtheit und in deren Folge Krankenhaus- oder Pflegeheimeinweisungen. Im Weiteren ging Wehling auf die Medikation bei alten und hochbetagten Patienten mit Diabetes mellitus Typ II (Zuckerkrankheit) ein. Er wies darauf hin, dass die Arzneimitteltherapie für diese Patienten anders auszusehen habe als bei jüngeren Patienten. Zur Orientierung erläuterte Wehling den Umgang mit dem von ihm mitentwickelten Medikamentenklassifizierungssystem FORTA (Fit fOR The Aged), das bei der Behandlung älterer Patienten Orientierung im Medikationsdschungel bietet.

Fallbeispiele und Diskussionsrunden vertieften die Inhalte, so dass die Resonanz der fünfzehn Teilnehmer außerordentlich positiv ausfiel. Aufgrund des großen Interesses sind weitere QAG Termine für 2020 bereits in Planung.

Infos dazu unter www.mvz-dadi.de.